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Als Bauerhausen noch selbständig war

Die Grenzen waren abgesteckt. Auf dem Nackenbergplatz hatten die Jungen und Mädchen aus Bauerhausen nichts zu suchen. Hier war Uelser Territorium und darauf bestanden die Heranwachsenden aus dem Dorf. Auch sonst war die Trennung klar: In der Schule gab es Klassen für die Uelser und eigene Klassen für die Bauerhausener Jugend, in der Kirche gab es die "Buren"-Bänke sowie feste Plätze für die Uelser Bürger und im Rathaus tagten der Uelser Magistrat und das Bauerhauser Gemeindeparlament in verschiedenen Räumlichkeiten - die einen oben und die anderen im unteren Sitzungssaal. So war es immer gewesen und so blieb es auch bis 1939.

Ein Blick zurück in vergangene Jahrhunderte macht deutlich, dass das Verhältnis der ehemals selbstständigen Gemeinwesen nicht ohne Konflikte war. Da hat schon einmal ein Bauer die Pfähle aus dem Boden gerissen, die die Uelser auf dem Nackenbarg eingegraben hatten um hier an den Markttagen das Vieh anzubinden. Der Nackenberg sei Eigentum von Scholte-Meyerink. Es ging um wenige Meter, wenn nicht um Zentimeter. Der Prozess dauerte sage und schreibe von 1797 bis 1837. Die Uelser klagten ihr Leid: "Hochwohlgeboren! Kaum lässt es sich begreifen, wie der Schultze Meyerink es hat wagen dürfen, gegen die hiesige Gemeinheit ...zu intrigieren...."

Klarheit für alle Zeiten haben die Richter nicht geschaffen. Noch 1911 konnte Scholte-Meyerink mit gutem Grund die Zahlung des Marktstandgeldes anlässlich des Viehmarktes mit der Begründung verweigern, er habe sein Vieh auf eigenem Grund und Boden angebunden.

Eigentumsrecht am Nackenberg

Gefeilscht wurde auch in einer anderen Angelegenheit, die heutige Zeitgenossen mit dem Abstand von über 80 Jahren milde schmunzeln lässt. Am Ende des 1. Weltkrieges stellten einige Nachbarn aus der Neuenhauser Straße an den Gemeindeausschuss den folgenden Antrag: Der Ausrufer möge die amtlichen Bekanntmachungen auch zwischen den Kilometersteinen 15,2 und 15,3 ausrufen und nicht bei 15,4. Der Antrag wurde abgelehnt. Das Ausrufen könne nur innerhalb des geschlossenen Ortes geschehen und außerdem sei der Gemeindediener sowieso schon mit Pflichten aller Art für die Gemeinde überlastet.

Im Jahr 1832 war Bürgermeister Dr.Aschendorf erst wenige Jahre im Amt, aber die Szenerie war damals nicht anders und er kannte sie zur Genüge. Als die vorgesetzte Behörde in Osnabrück dem Uelser Magistrat wichtige Verwaltungsaufgaben entzog und ihm einen in Neuenhaus wohnenden Amtsvogt vor die Nase setzte, beschwerte sich der Bürgermeister, es gäbe Amtsgeschäfte im Zusammenhang mit der Nutzung der Bauerhausener Markengrundstücke, die nur von einem Angestellten gut besorgt werden könnten, der im Ort selbst wohnen würde. Es war nicht einfach mit den Bauern.

70 Jahre später erlebte Dr. Regenbogen als Beigeordneter des Magistrats die besonderen Schwierigkeiten in Grundstücksfragen. Ein ums andere Mal sahen er und seine Ratskollegen sich veranlasst, bestimmte Aktivitäten einiger Landwirte zu rügen. Da wurden ohne Zustimmung Heideplaggen gestochen, Bäume gefällt oder Gemeindeflächen wie selbstverständlich umgepflügt. Bauerhausen war überall: Im Süden (die Windmühle), im Osten (auf dem jetzigen Volksbank-Gelände), im Norden auf dem Nackenberg und am Sonnenbergsteich (jetzt Kappenbergshof / Wilsumer Straße )

Die Straße der SA

Auf Regenbogens Veranlassung wurde Ende des 19. Jahrhunderts die erste Katasterkarte mit darauf verzeichneten Gemeindegrenzen angefertigt. In der Flächengröße übertraf Uelsen den Nachbarn um 200 Hektar und hatte mit ungefähr 1000 Eingesessenen etwa dreimal soviele Einwohner wie Bauerhausen. Wie gern hätte sich Uelsen aus der Umklammerung gelöst! Manche Entscheidungen wurden sicherlich einvernehmlich miteinander getroffen. In einem Ratsprotokoll aus der jüngeren Vergangenheit heißt es z.B.: "Die Straße am Markt von J. Diek bis Rosenthal und anschließend die Hauptstraße von B. Vorrink/ R. Schillig bis Engbers-Söhne wird mit Wirkung vom 30.Januar 1939 in <Straße der SA> umbenannt". Der erste Teil dieser Straße hieß früher Lütke Straße und verlief eindeutig auf Uelser Gebiet während das längere Teilstück (die jetzige Itterbecker Straße) zu Bauerhausen gehörte.

Eine andere Entscheidung aus der Zeit des Nationalsozialismus scheint in beiden Gemeinden – zumindest in den Gemeindeparlamenten – ebenfalls unstrittig gewesen zu sein: Dem Geist der Zeit entsprechend sollte in Uelsen auf dem Bookesch ein "Hitler-Jugend"-Heim gebaut werden. Die von Bauerhausen angeblich zugesagte Kostenbeteiligung über 1600 Reichsmark wurde allerdings von Bürgermeister Dyk in Frage gestellt. Er war bereit, höchstens 1200 Mark zu zahlen.

Diese Beschlüsse fielen in einer Zeit, als die Verständigung zwischen Uelsen und Bauerhausen besonders belastet war. Die Molkerei-Genossenschaft drohte mit dem Abzug der Molkerei aus Uelsen. Der geplante Neubau des Molkereigebäudes könne schließlich auch woanders erfolgen. Um wirtschaftlichen Schaden von der Gemeinde abzuwenden, bot daraufhin der Uelser Bürgermeister ein mehrere Tausend Quadratmeter großes Grundstück auf dem Bookesch an, und zwar kostenlos. Ärger im Gemeinderat und in der Öffentlichkeit war vorprogrammiert. Es ging so weit, dass der Bürgermeister beantragte, einem Ratsmitglied – immerhin einem bekanntermaßen mehr als linientreuen Nazi – das Ratsmandat zu entziehen. Dieser habe, so der Bürgermeister F. Hölter im Jahr 1938, mit seinen Machenschaften gegen die Interessen der Gemeinde gehandelt. Nach zähen Verhandlungen kam das Geschäft schließlich doch zustande. Der Kaufpreis betrug 1,50 Reichsmark pro Quadratmeter. Das war die Hälfte des Preises, den der Geschäftsmann Aalderink zu gleicher Zeit für ein in der Nähe gelegenes Grundstück aus Privatbesitz zu entrichten hatte. Manch ein Bürger konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, der Gemeinderat sei vor der Macht der Landwirte in die Knie gegangen.

Zusammenschluss mit Wilsum

In einer anderen Angelegenheit war der Zentralort aber obenauf. Auf höherer Ebene war 1938 die Eingemeindung Bauerhausens nach Uelsen angeordnet worden. Als 10 Jahre zuvor erste Eingemeindungspläne auf den Tisch gekommen waren, hatte das in Bauerhausen zu einem Sturm der Entrüstung geführt mit der Folge, dass man auf den Höfen ernsthaft darüber nachdachte, sich der Viehverwertungsgenossenschaft Wilsum anzuschließen. Das Gespenst des Verlustes der kommunalen Selbstständigkeit ließ sich nicht vertreiben. Am 13.4. 1934 fasste der Gemeinderat eine vorsorgliche Stellungnahme an den Vorsitzenden des Kreisausschusses in Bentheim. "Seit Menschengedenken" hätten "irgendwelche erheblichen Grenzstreitigkeiten" nicht stattgefunden und dass Uelsen an einer Eingemeindung großes Interesse habe, sei "in Hinblick auf die große Schuldenlast" verständlich.

Und noch einen Seitenhieb konnten sich die Bauerhausener nicht verkneifen. An der Entwicklung von Uelsen habe sich gegenüber früher kaum etwas geändert, in Bezug auf die Verkehrsverhältnisse sei sogar eine rückläufige Tendenz zu beobachten. Auf seiner letzten Sitzung am 9. März 1939 dankte Bürgermeister Dyk den Beigeordneten Jan Scholte-Meyerink und Gert Brinkmann sowie den Gemeinderäten B. H. Meyer, F. Baumann, H. Holsmölle, L. Sligt, H. Daalmann und Z. Slomp für ihre "aufopfernde und stets hilfsbereite Hingabe zum Wohl der Gemeinde Bauerhausen".

Quelle: Gemeindearchiv


Ein Beitrag von Geert-Vrielmann Jacobs. Eingesandt am 19.01.2001. Dieser Beitrag erscheint demnächst als Vorwort im VVV Kalender 2001.

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Erstellt: 25.01.2001, letzte Änderung: 11.07.2005    www.Uelsen-und-Umgebung.de