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Louis Hondebrink

 Louis Hondebrink

Strom lieferte die Zentrale

Louis Hondebrink (92 Jahre) erzählt

Von Heinrich Baumann


Heinrich: "Louis, du bis ould genog wodden, du wees doch noch wall wat van de Zentrale!"

Louis: "Wisse wall, dat weet ik, pass men is up, un schriewe et in dütsch up, want nen Böld van de junge Lö könnt gin Platt mehr."

Georg Jacobs "achter't Roathus" und der Arzt Dr. Heinmüller waren nach dem ersten Weltkrieg die treibenden Kräfte, die für Uelsen auf eine elektrische Energieversorgung drängten und die Elektrizitätsgenossenschaft eGmbH Uelsen gründeten. Der erste Motor mit Generator stand hinter den Häusern, die heute von Würtz und Klünder bewohnt werden. Dieses "Kraftwerk" muß wohl zuviel Kinderkrankheiten gehabt haben, denn nach kurzer Betriebszeit wurde es abgebrochen und nach Holland verkauft.

Ungefähr 1919 oder 1920 baute man dann die "Zentrale" dort, wo heute das Feuerwehrhaus steht. Im sogenannten Gasgenerator wurde Anthrazitkohle unter Luftabschluß erhitzt. Die Schwelgase gelangten durch Rohrleitungen zu zwei Sauggasmotoren, wovon der kleine 25 PS (ca. 19 kW), der große 40 PS (ca. 30 kW) "auf die Beine" brachte, allerdings nur dann, wenn das Gas vor dem Zünden mit der richtigen Menge Luft gemischt war. Der kleine Motor mußte von Hand angeworfen werden. Dabei trat einer in die Speichen des Schwungrades, ein zweiter Mann drehte am Außenkranz. Nach kalten Winternächten war das nicht so einfach. Einmal stand Stiepels Hermann in den Speichen, ich drehte am Außenkranz, als eine Frühzündung das Rad rückwärts laufen ließ. Hermann wurde von diesem Schwung hochgeschleudert. Glücklicherweise konnte ich seinen Fall bremsen, so daß ihm nichts passierte.

Die Zentrale

Der große Motor war wassergekühlt und wurde mit Preßluft gestartet. Breite Treibriemen übertrugen die Motorleistung auf Generatoren (Dynamos), die 220 Volt Gleichstrom lieferten. Hermann Stiepel und Hans Pohlmann waren die Betriebsfachleute. Sie sorgten dafür, daß die Maschinen von morgens 5.00 Uhr bis abends 23.00 Uhr liefen. Dabei hatte im Wechsel einer von 5.00 Uhr bis 20.00 Uhr, der andere von 5.00 Uhr bis 18.00 Uhr und von 20.00 Uhr bis 23.00 Uhr Dienst.

Der nächtliche Energiebedarf wurde aus Batterien gedeckt, die tagsüber aufgeladen wurden. Mehrere lange Reihen von Glasgefäßen, etwa 1/2 m x 1/2m x 3/4 m groß, mit Batterieplatten versehen, standen im Nebenraum.

Das Feuer brannte nachts auf "Sparflamme". An Sonn- und Feiertagen lief nur der kleine Motor mit dem kleinen Dynamo. An den Schützenfesttagen hatte ich oft das Oberkommando in der Zentrale, denn Pohlmann und Stiepel waren beide im Spielmannszug. Hans flötete und Hermann trommelte.

Das Versorgungsgebiet der Uelsener Zentrale erstreckte sich von Lübbermann und Siemelink (Vischer/Weered) in Lemke, die eine eigene Zuleitung direkt von der Zentrale hatten, bis zu den Zollhäusern an der Geteloer Straße. Für die Leitung zu den Zollhäusern mußten Pohlmanns Hans und ich am Bokenkämpken einen A-Mast setzen. Damit haben wir große Schwierigkeiten gehabt. Das Ding war für zwei Mann zu schwer.

Die Hauptabnehmer waren die Werkstätten, die von Hand- auf Maschinenbetrieb umgestellt wurden (Möbel-Voet, Beck-Geit, Wagenmaker Scholten und andere). Wenn dann bei Einbruch der Dunkelheit in denHäusern zusätzlich die Beleuchtung eingeschaltet wurde, ging die Spannung bis auf 180 Volt zurück. Rechnet man dann noch den Spannungsverlust in den Leitungen z.B. bis zu den Zollhäusern, kann man sich vorstellen, daß die Glühlampen nur noch als Rotlicht wirkten. Es gab sowieso nur "Birnen" von 10 und 15 Watt für Flure, und solche, von 20, höchstens 25 Watt für Wohn- und Arbeitsräume.

Auf eine elektrische Straßenbeleuchtung mußte aus diesen Gründen verzichtet werden. Die wenigen Petroleumlampen auf gut mannshohen Pfählen in Ortsmitte gaben weiterhin ihr spärliches Licht. Gerrit Mülder nahm jeden Abend seine kurze Leiter auf die Schulter, ging von Leuchte zu Leuchte und hielt ein Streichholz daran.

Badeanstalt

Badeanstalt

1927 bekam Uelsen eine öffentliche Badeanstalt mit 3 Wannen und 4 Brausen. Sie wurde direkt an die Zentrale angebaut. Ich war während der ganzen Betriebszeit (fast 30 Jahre) der Heizer und bekam dort später auch mein Zuhause. Erst als nach dem Kriege die Häuser allgemein mit Badeeinrichtungen versehen wurden, mußte der Betrieb eingestellt werden.

Zuerst kam das Badewasser aus der Massbecke, bis 1929 Uelsen eine zentrale Wasserversorgung erhielt. Der Kessel faßte Wasser für 3 Wannenfüllungen. Außerdem war die Zentralheizung angeschlossen. Es wurde im Winter in den Badekabinen empfindlich kalt, wenn mehrere Badegäste gleichzeitig ihr Bad nahmen. Das änderte sich, als ein moderner 1000-Liter Kessel angeschafft wurde. Die mollige Wärme ließ meine Behausung zu einem Feierabend-Treffpunkt für einige Uelsener werden. So trafen sich hier oft Timmers Ope, Beckmanns Hermann, Kip-Herme und andere zu einem Skat.

Feuerwehrhaus

Zur Zentrale stand die Tür dann offen, weil Stiepel und Pohlmann die "Pröatkes" mitkriegen wollten und auch ab und zu "kiebitzten". Aber mitspielen konnten sie nicht, denn sie mußten die Schalttafel dauernd im Blick haben, um Gas- und Luftzufuhr und Motordrehzahl mit der schwankenden Spannung in Einklang zu bringen. Um 21.00 mußte Timmers Ope für kurze Zeit zum Läuten. Das Läutwerk wurde schon elektrisch mit Energie von der Zentrale betrieben. Bis auf die üblichen Inspektionsarbeiten lief die "Zentrale" ohne Störung. Im Jahre 1931 übernahm die NIKE die Versorgung.

"Soa, nu mösse men is sehn, dasse dat in dütsch terechte krigs!".  — Ich habe es versucht.


Mit freundlicher Genehmigung von Heinrich Baumann wiedergegeben aus dem Buch "850 Jahre Uelsen", herausgegeben von der Gemeinde Uelsen 1981.

 

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Erstellt: 31.07.2000, letzte Änderung: 11.07.2005    www.Uelsen-und-Umgebung.de