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Erster Weihnachtsbaum stand schon um 1650 in Straßburg

Wiege des Grafschafter Weihnachtsbaumes wahrscheinlich in Uelsen

Von Ulrich Körner

Weihnachten ohne den grünen Tannenbaum ist für uns heute nicht mehr vorstellbar. Dabei ist es noch gar nicht so lange her, daß in der Grafschaft die Weihnachtsfeier mit geschmücktem Baum, Krippe und Bescherung ein gänzlich unbekannter Brauch war. Bevor wir uns der Frage nach dem ersten Weihnachtsbaum in der Grafschaft zuwenden, soll zunächst auf die Herkunft dieser für uns in der heutigen Zeit so selbstverständlichen Tradition eingegangen werden.

Weihnachtskarte

Die Marburger Volkskundlerin Ingeborg Weber-Kellermann hat in einem umfassenden Werk zur Kultur- und Sozialgeschichte der Weihnachtszeit nachgewiesen, daß die frühesten Belege aus dem städtischen Handwerks- und Zunftwesen stammen. Eine Bremer Zunftchronik des Jahres 1570 berichtet danach von einem Dattelbäumchen, das mit Äpfeln, Nüssen, Datteln und Brezeln bedeckt in einem Zunftraum aufgestellt war und dann von den Kindern zu Weihnachten abgeschüttelt werden durfte. Ähnliche Bräuche sind aus Basel und dem Elsaß bekannt. Diese wurden dann allmählich aus den Zunftstuben in die häuslichen Feiern übertragen. Um 1650 findet sich das erste bekannte Zeugnis für einen Weihnachtsbaum in einem Straßburger Privathaus. Im 17. und 18. Jahrhundert verbreitete sich der neue Brauch dann von Stadt zu Stadt - immer mehr hohe Beamte und wohlhabende Bürger übernahmen und pflegten diese neue Mode zu Weihnachten. Zeitgleich setzte sich die Sitte dann nach und nach auch in den europäischen Adelshäusern durch, so daß der Weihnachtsbaum zumindest seit dem 18. Jahrhundert in den höheren Kreisen in ganz Europa bekannt wurde.

Auf dem Lande und somit auch in der Grafschaft blieb der neue Brauch jedoch für lange Zeit vollkommen unbekannt. Eine allgemeine Verbreitung des Weihnachtsbaumes als "echt deutsches" Festsymbol brachte erst der deutsch-französische Krieg 1870/71. Auf Wunsch der aristokratischen Heerführer wurden am Heiligen Abend dieses Kriegswinters in Lazaretten, Quartieren und Unterständen überall Weihnachtsbäume entzündet. Die heimgekehrten Soldaten nahmen diese für sie unbekannte neue Sitte mit in ihre Heimat und sorgten dadurch dafür, daß sich der neue Brauch allmählich auch in ländlichen Gebieten verbreitete.

Einer dieser Teilnehmer am Feldzug 1870/71 war der spätere Ohner Lehrer Heinrich Johann Volkers, der unter anderem die Kämpfe bei Mars la Tour und Gravelotte mitmachte. Nach Hagerott (Jahrbuch des Heimatvereins 1986) brannte bereits 1876 in seiner Schulstube in Ohne der erste Weihnachtsbaum in der Obergrafschaft. Lehrer Volkers hielt damals in seinem Tagebuch fest, daß er am Abend des 24. Dezember 1875 den von ihm geschmückten Christbaum im überfüllten Schullokal entzündet hatte. 20 Jahre später berichtete er in der Schulchronik davon, daß sich die Sitte der Weihnachtsfeier durch die jährlichen Schulfeiern bereits langsam eingebürgert habe, denn in diesem Jahre erstrahle bereits bei einigen Bauernfamilien ein Baum mit Lichtern.

Die ersten Zeugnisse eines Weihnachtsbaumes führen jedoch in die Niedergrafschaft. Im "Grafschafter" von 1953 haben Georg Kip und Willy Friedrich Erzählungen und Überlieferungen niedergeschrieben, die darauf hindeuten, daß in Uelsen die Wiege des Grafschafter Weihnachtsbaumes gestanden haben könnte.

Weihnachtskarte

Da echte Wachskerzen um die Jahrhundertwende sehr teuer waren konnten sich einfache Leute diesen Luxus nicht leisten. Dank der Erfindung der "Stearin-Baumkerzen" strahlte aber bald auch dort der Weihnachtsbaum. Zunächst berichtet Kip von den Jugenderinnerungen eines Niedergrafschafters, der diese 1903 als Mitarbeiter der damaligen "Zeitung und Anzeigeblatt" (aus der im übrigen die GN hervorgegangen sind) dort niedergeschrieben hatte. Der unbekannte Verfasser schilderte insbesondere ein Erlebnis, das sich während seines Heimaturlaubes vom Militär in seinem heimatlichen Kirchdorf in der Niedergrafschaft zugetragen hatte. Er sei zu Besuch bei seinem früheren Dienstherren gewesen, als der Sohn des berittenen Grenzaufsehers in die Küche trat, um für die Seinen einen Weihnachtsbaum zu erbitten. Da jedoch keiner der Anwesenden mit diesem Begehren etwas anfangen konnte, erklärte der Junge den erstaunten Grafschaftern, daß seine Eltern den Baum mit Äpfeln, Nüssen und Backwerk behängten und am Abend des Festes die am Baum befestigten Kerzen entzündet würden. Dies sei nach den Erinnerungen des Verfassers der erste Weihnachtsbaum gewesen, der in seinem Kirchdorfe brannte. Nach Kip soll sich das beschriebene Geschehen zu Beginn der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts in Uelsen oder Emlichheim zugetragen haben. Es spricht jedoch einiges dafür, daß es sich bei der Familie des nicht genannten Grenzaufsehers um Angehörige des Zollinspektors und Grenzaufsehers Andraes Friedrich Leege, der zu dieser Zeit schon in Uelsen ansässig war, handeln könnte. Für diese These könnten die Überlieferungen des Uelsener Bürgers Heinrich Frantzen sprechen, nach denen Willy Friedrich seine Gedanken zur Geschichte des Weihnachtsbaumes in Uelsen im "Grafschafter" vom Dezember 1953 veröffentlicht hat. Demnach soll bereits im Jah 1877 im Hause Frantzen ein Weihnachtsbaum gebrannt haben.
Weihnachtskarte

Englein fliegt von Haus zu Haus
und teilt seine Gaben aus,
putzt den Christbaum mit Bedacht,
daß er strahlt in heller Pracht

Zu jener Zeit war dort eine Filiale der Zigarrenfabrik Harger aus Neuenhaus untergebracht. Am Heiligen Abend sollen die dort beschäftigten jungen Leute ein kleines unscheinbares Bäumchen besorgt haben, an dem auf primitive Weise Stummel abgebrannter Talglichter befestigt waren. Im kleinen Kreise stimmte man dann Weihnachtslieder an, und die Kinder erhielten eine Handvoll "Plessis" Woher die jungen Männer von der neuen Sitte Kenntnis erlangt hatten, ist leider nicht mehr nachvollziehbar, fest steht damit jedoch, daß der Weihnachtsbaum in Uelsen bereits bekannt war. Drei Jahre später fand dann die erste Weihnachtsfeier in der von Jan-Hindrik Körner geleiteten Schule statt. Bauer Nordbeck aus Hardingen stellte kostenlos einen Tannenbaum zur Verfügung, der von den Töchtern des Grenzaufsehers Leege und den Geschwistern Storteboom geschmückt wurde. Hier findet sich der erste Hinweis auf die Familie Leege. Da das Schmücken des Tannenbaumes nicht von Lehrer Körner vorgenommen wurde, ist zu vermuten, daß er diese verantwortungsvolle Aufgabe sicherlich nur in bewährte Hände gegeben hat. Wahrscheinlich hat Körner sich die Anregung zu einer ersten Weihnachtsfeier im Schullokal dort geholt, wo dieser Brauch schon lange gepflegt wurde. Beachtet man nun noch, daß Körner bereits seit Juni 1880 mit einer der Töchter (Marie Sophie Doris Leege) des Grenzaufsehers verheiratet war, so liegt der Gedanke nahe, daß er im Hause seines Schwiegervaters den ersten Weihnachtsbaum brennen sah und diese Sitte dann auch in seine Schule einführen wollte.

Ein letzter Hinweis, daß in der Familie Leege schon früher zu Weihnachten ein Baum erstrahlte ergibt sich aus den Aufzeichnungen eines der berühmtesten Söhne der Gemeinde, des 1862 in Uelsen geborenen Naturforschers und "Vaters des Memmert", Dr. Otto Leege. Er trat im Jahre 1832 seinen Dienst als Junglehrer auf der Insel Juist an. Als das erste Weihnachtsfest heranrückte, erzählte er seinen Schulkindern von dem Fest und dem geschmückten Tannenbaum, den dort noch keiner kannte. Da auf der Insel kein grüner Baum wuchs, bastelte er mit seinen Kindern und einigen Insulanern aus Strandgut einen Weihnachtsbaum und trug so den Brauch aus der Grafschaft auf die Nordseeinsel. Da anzunehmen ist, daß er den Brauch in seinem Elternhaus kennengelernt hatte, liegt folglich der Schluß nah, daß der erste Weihnachtsbaum im Hause des Grenzaufsehers Leege in Uelsen brannte und dies unter Zugrundelegung des Artikels von Kip möglicherweise bereits um 1860. Abschließend sei festgestellt, daß es sich hierbei nicht um eine gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis handelt, sondern nur um einige Überlegungen zu den bisher bekannten Überlieferungen zur Frage nach der Geschichte des Weihnachtsbaumes in der Grafschaft.


Dieser Beitrag wurde uns von Ulrich Körner im September 2000 zugesandt. Ulrich Körner schreibt gelegentlich heimatbezogene Beiträge für die GN (z.B. "Alte Ansichten"). Dieser Beitrag erschien in der Weihnachtsbeilage der GN 1998. Der Text wurde von uns geringfügig modifiziert.

 

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Erstellt: 26.09.2000, letzte Änderung: 11.07.2005    www.Uelsen-und-Umgebung.de