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Jüdisches Leben in Uelsen

von Norbert Voshaar

Anlässlich des Holocaustgedenktages der Gemeinde Uelsen am 27.01.2017

 

Ältestes schriftliches Zeugnis für die Anwesenheit von Juden in Uelsen ist ein Protokoll der Evangelisch-Reformierten Kirche aus dem Jahr 1726. Darin ist die Rede von Rabbi Meyer van Hamburg, der, da er verarmt war, der Unterstützung durch die Gemeinde bedurfte. Erwähnt wird auch, dass er zum Christentum bekehrt war.

1753 erhielt der aus Neuenhaus nach Uelsen kommende Jacob Abraham einen Schutzbrief.

Aus Sicht der Uelser Bürger lebten dann im Jahre 1764 bereits zu viele Juden in Uelsen, denn 15 Dorfrepräsentanten verfassten seinerzeit ein entsprechendes Protestschreiben. Hintergrund dürfte gewesen sein, dass die jüdischen Händler aus Sicht der angestammten Uelser Geschäftsleute eine unliebsame Konkurrenz darstellten. Eine der zu dem Zeitpunkt bereits in Uelsen lebenden jüdischen Familien war die Familie Hompes, deren Oberhaupt Joseph Hompes war. Die sehr aktive und erfolgreiche Kaufmannsfamilie Hompes erlangte im 19. Jahrhundert eine besondere Bedeutung im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben Uelsens und wurde durch ihre weit über die Grenzen Uelsens hinaus reichenden vielfältigen Geschäftsbeziehungen sowie durch die Errichtung zweier mechanischer Webereien bekannt. Auch wichtige Positionen im jüdisch-religiösen Leben wurden von Mitgliedern der Familie Hompes bekleidet, beispielsweise hatte Hartog Hompes zeitweise die Position des Vorstehers der gesamten Grafschafter Judenschaft inne.

Nachdem noch im Jahre 1796 die Ortskirche bzw. der Kirchenrat den Bürgermeister aufgefordert hatte, nicht mehr als zwei jüdische Haushaltungen zuzulassen, verbesserte sich die Lage für die jüdischen Familien während der Franzosenzeit. Im Jahr 1809 verlieh der Gemeindevorsteher „Maire“ Meyer Emanuel Hompes, Hartog Hompes, Joseph Heyman, Samuel Ruijs sowie dem Ehepaar Joseph Hertz und Klara Israel das Bürgerrecht, ein Jahr später konnten Hartog Hompes und Joseph Heyman das Bürgerrecht auch für ihre Frauen Isabella und Resetta erwerben. 1814 erlangte Salomon Abraham Vos für sich, seine Frau Siebilla und seine Kinder das Bürgerrecht, ebenso die Ehefrau von Emanuel Hompes, Ester David.

1826 schließlich sind in Uelsen sechs jüdische Haushalte verzeichnet, die insgesamt 25 Personen umfassen. Aus dem selben Jahr liegt ein Dokument vor, mit dem der jüdische Kaufmann und Schlächter Heiman Joseph ten Bosch, der im Jahre 1800 als Knecht nach Uelsen kam und dort 1809 auch heiratete, bittet, weiter in der Gemeinde Uelsen bleiben zu dürfen. Seinem an den „Wohlgeborenen, Hochgelehrten, Hochgeehrten Herrn Rath und Hoheits-Comissair“ Duncker gerichteten Bittschreiben fügte Heiman Joseph ten Bosch ein von Uelser und Wilsumer Honoratioren (unter ihnen Bürgermeister Herman Boode, Altbürgermeister Jan Crull sowie der bekannte Pastor und Autor Wessel Friedrich Visch aus Wilsum) unterzeichnetes Papier bei, mit dem besagte Herren seinen Wunsch befürworten.

Als Synagoge diente den Uelsern jüdischen Glaubens Mitte des 19. Jahrhunderts ein Teil der ehemaligen Burg von Thoren (gelegen ca. 100 Meter südöstlich der ev.-ref. Kirche), deren bauliche Reste um 1910 vollständig abgetragen wurden. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts schlossen sich die jüdischen Bürger von Uelsen der Synagogengemeinde Neuenhaus an und besuchten die dortige Synagoge, bis diese während der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 auf Geheiß der Nationalsozialisten völlig zerstört wurde. Ihre Toten begruben die jüdischen Uelser (genau wie die anderen Juden der Niedergrafschaft) auf dem jüdischen Friedhof in Neuenhaus. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in Uelsen nur noch zwei jüdische Familien, und zwar die Familien Vos und Vorsanger.

Die seit Ende des 18. Jahrhunderts in Uelsen ansässige Familie Vos verdiente ihren Lebensunterhalt durch Viehhandel und eine Schlachterei, zudem handelte sie mit Kohlen, Kalk, Baumaterialien, Honig, Wachs, Häuten und Fellen. Dem 1872 in Uelsen geborenen Hermann Vos wurde als deutscher Soldat im Ersten Weltkrieg das Eiserne Kreuz verliehen, er war viele Jahre Kommandeur und Präsident des Schützenvereins. Nach der Pogromnacht 1938 wurde er für einige Wochen im KZ Sachsenhausen inhaftiert. Anfang 1942 wurden Hermann Vos und seine Ehefrau Johanna zwangsweise nach Neuenhaus in das Haus van der Reis (das sogenannte „Judenhaus“ in der Hauptstraße) eingewiesen. Am 29. Juli 1942 wurden sie von dort aus gemeinsam mit Samuel Süskind, den vier Geschwistern van der Reis und dem Ehepaar Steinburg nach Theresienstadt deportiert. Im September 1942 verbrachte man sie nach Treblinka, wo sie umkamen. Ihrem einzigen Sohn Salomon (genannt Sally) gelang es - nach vorübergehender Einweisung ins KZ Buchenwald - nach Belgien zu fliehen und letztlich auf abenteuerliche Weise zu überleben. 1966 besuchte er erstmals nach dem Krieg seinen Heimatort Uelsen, weitere Besuche folgten; 1989 wurde er als „Bürger des Jahres“ geehrt.

Joseph Vorsanger wurde 1877 in Neuenhaus geboren, zog aber später nach Uelsen, wo er 1909 das Textilgeschäft der Familie Weersmann übernahm, bei der er zuvor schon das Schneiderhandwerk gelernt hatte. Im Ersten Weltkrieg war Joseph Vorsanger Kriegsfreiwilliger und wurde mit dem EK I ausgezeichnet, er kehrte als letzter Uelser Kriegsteilnehmer aus der Gefangenschaft zurück. Nach der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938, während der auch das Geschäft der Familie Vorsanger geplündert worden war, wurde Joseph Vorsanger für einige Wochen ins KZ Sachsenhausen verbracht, nach seiner Entlassung kehrte er nach Uelsen zurück, von wo er bald darauf mit seiner Frau Amalia nach Almelo/NL floh. Das Ehepaar wurde nach der Besetzung Hollands durch die Deutschen verhaftet, im Kamp Westerbork interniert und von dort aus am 2. März 1943 nach Sobibor deportiert. Joseph und Amalia Vorsanger starben im KZ Sobibor am 5. März 1943. Ihr Sohn Hans, 1913 in Uelsen geboren, hat vor der Flucht der Familie nach Holland im elterlichen Textilgeschäft gearbeitet. Er ging mit seinen Eltern nach Holland und tauchte dort unter. Nach seiner Entdeckung durch NSB-Leute brachte man ihn ins Kamp Westerbork, von wo er 1942 nach Auschwitz deportiert wurde. Er starb in Auschwitz am 28. Februar 1943.

Zu Ehren der Mitglieder der Familien Vos und Vorsanger sind mittlerweile in Uelsen sogenannte Stolpersteine verlegt worden, auch stehen die Namen beider Familien auf den Stehlen am Mahnmal auf dem Mühlenberg. Zudem gibt es im Ort die Straße „Vos-Vorsanger-Hof“.

Quellen:


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Erstellt: 06.05.2018, letzte Änderung: 06.05.2018   www.Uelsen-und-Umgebung.de